Lettisches Centrum Münster e.V.

   

Lettische Regierung will weiterhin CETA und TTIP
22.09.2016


Hoffnung auf Wachstum oder Furcht vor Privatisierung

Anti-TTIP-Proteste in LondonDie Proteste gegen die Freihandelsabkommen der EU mit Kanada und den USA sind auch an der Rigaer Bucht vernommen worden. Artjoms Konohovs berichtete am 22.9.2016 über die Debatten zwischen Experten und Politikern. In seinem viertelstündigen Beitrag für die Radiosendung ?sten?bas izteiksme 15 min?t?s kamen Befürworter und Kritiker zu Wort. So stellte Konohovs die skeptische österreichische Position dar: Kanzler Christian Kern will, dass weiterhin Politiker über Privatisierungen und Deregulierungen entscheiden und nicht andere. Zwar unterstütze seine Regierung den Freihandel, aber in den Verträgen seien auch Bestimmungen zur Deregulierung, zu bestimmten Standards im sozialen Bereich, über den Umweltschutz und weiteres eingefügt. Daher hätten viele Österreicher Zweifel. Die Vertragsnormen bereiteten Sorgen, dass sich der Privatisierungsdruck erhöhe. Als konkretes Beispiel nannte Kern gegenüber dem Lettischen Radio die kommunale Wasserversorgung. Konzerne könnten deren Privatisierung fordern. Politiker der lettischen Mitte-Rechts-Regierung teilen solche Bedenken nicht. Sie halten an CETA und TTIP fest.

Anti-TTIP-Proteste in London 2014, Foto: World Developement Movment - CC BY 2.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=34120718

 

Kalni?a-Lukaševica: Für Lettland sind TTIP und CETA vorteilhafter

Der lettische Ministerpräsident M?ris Ku?inskis bekräftigte am Rande eines EU-Treffens mit seinen Kollegen in Bratislava das Ja seiner Regierung zu CETA und TTIP. Eine gemeinsame Haltung gegenüber Drittstaaten würde die wirtschaftliche Entwicklung klar verbessern. "Wir wissen, dass der Vertrag zwischen der EU und Kanada, der näher rückt, für uns wichtig ist. Ich hoffe, dass sich auch eine Einigung mit den USA erzielen lässt." Zanda Kalni?a-Lukaševica, parlamentarische Staatssekretärin im Außenministerium, vertritt Lettland bei den Brüsseler Verhandlungen. Sie führte in der Sendung aus, welche Vorteile sich die lettische Regierung verspricht. Zunächst hofft sie auf Wachstum, das sei im Interesse der lettischen Gesellschaft. Dabei könne es keine Kompromisse beim Umweltschutz und bei den Standards zur Lebensmittelsicherheit geben. Das sei schwarz auf weiß die lettische Position, die der der EU entspreche. Lettische Unternehmer wünschten schon lange einen neuen Vertrag, der viel vorteilhafter wäre als der bestehende zweiseitige. Darunter fielen auch Bestimmungen zum Investitionsschutz. "Andererseits gibt es einige Staaten, deren derzeit bestehende zweiseitige Verträge viel günstiger sind als die derzeit für lettische Unternehmen bestehenden. Daher ist es natürlich, dass in manchen Fragen der Rückhalt anderer Mitgliedstaaten nicht so groß ist." Trotzdem will sie die Verträge durchsetzen: "Es gibt nicht die geringste Illusion, dass die Verhandlungen leicht zum Abschluss kommen. Aber wir wissen, dass wir ihn erreichen müssen und wir wollen ihn erreichen."

Berliner Wasserwerke 1856

Berliner Wasserwerke im Jahr 1858. Die Berliner Stadtregierung beteiligte 1999 die Konzerne RWE und Veolia an der Wasserversorgung. Dagegen protestierte eine Bürgerinitiative. Sie kritisierte u.a. die geheimen Verträge mit den privaten Teilhabern. In einem Volksentscheid votierten die Berliner gegen die private Teilhabe und der Senat musste die Anteile zurückkaufen. Scan der Original-Buchvorlage, Gemeinfrei, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=17108773

 

Pabriks: Leader wollen keine Verantwortung übernehmen

Kalni?a-Lukaševicas Parteifreund Artis Pabriks ist für die in Riga mitregierende Partei Vienot?ba Abgeordneter im EU-Parlament. Er hält die TTIP- und CETA-Kritiker für Populisten. Derzeit sei es populär, die Globalisierung mit dem Handel zu verbinden. "Und der Handel wird ausgewählt als wichtigstes Ziel, dem man das ganze Unglück der Globalisierung anlastet." Er beklagt die mangelnde Unterstützung der führenden Politiker für TTIP auf beiden Seiten des Atlantiks. "Das bedauere ich sehr, denn das zeigt in Wahrheit, dass der westlichen Welt ausgesprochene Leader fehlen, die bereit sind, Verantwortung zu übernehmen und einen Prozess voranzubringen. Eher schaut man auf Wahlen, welche sich sowohl in Deutschland und Frankreich nähern, deren Leader sich negativ über den Vertrag geäußert haben, als auch in den USA, wo weder Donald Trump noch Hillary Clinton in diesem Stadium und diesem Kontext bereit sind, den Vertrag zu unterstützen." Und dann richtet sich Pabriks noch gegen andere kleine Staaten, die von der Bevölkerungszahl immerhin größer sind als Lettland: "Und, natürlich, gibt es auch kleine Staaten wie Belgien und teilweise Niederlande und Österreich, die bereit sind, aufs Pferd aufzusitzen und sagen: `Wir sind auch gegen TTIP`". Der wichtigste Kritikpunkt der TTIP- und CETA-Gegner wird von lettischen Politikern nicht erwähnt, nämlich die Möglichkeit für Konzerne, aufgrund von TTIP- oder CETA-Bestimmungen Staaten vor internationalen Schiedsgerichten zu verklagen und damit nationale Gesetzgebung zu beeinflussen.

 

Weiterer LP-Artikel zum Thema:

Unternehmen drohen der lettischen Regierung mit internationalen Schiedsgerichten

 

Externe Linkhinweise:

drb.de: Stellungnahme des Deutschen Richterbundes zur Errichtung eines Investitionsgerichts für TTIP – Vorschlag der Europäischen Kommission vom 16.09.2015 und 12.11.2015 (PDF)

verdi.de: CETA - In den Müll damit

youtube.de: ARD - Die Story im Ersten: Konzerne klagen - Wir zahlen - private Schiedsgerichte

youtube.de: Water Makes Money - Wie private Konzerne aus Wasser Geld machen




 
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