Lettisches Centrum Münster e.V.

   

Terroranschlag in Paris überschattet den Beginn der lettischen EU-Ratspräsidentschaft
08.01.2015


Straßenszene mit Rettungsfahrzeugen in ParisMit der Überschrift "Je suis Charlie" solidarisierte sich am 8.1.2015, ein Tag nach dem Attentat auf die Pariser Satirezeitschrift "Charlie Hebdo", die lettische "Ir"-Redaktion auf ihrer Webseite mit ihren französischen Kollegen. Die Ermordung von neun Journalisten, einem Wächter und zwei Polizisten bestimmt auch in Lettland die Schlagzeilen. Das Thema Terrorismus dürfte nun neu auf die Tagesordnung der lettischen EU-Ratspräsidentschaft gelangen. Darüber sprach die EU-Korrespondentin Ina Strazdi?a mit den Saeima-Abgeordneten Lolita ?ig?ne, Mitglied der Regierungsfraktion Vienot?ba, und Igors Pimenovs, Mitglied der Oppositionsfraktion Saska?a, am 8.1.2015 im Lettischen Radio. Beide gehören der parlamentarischen Kommission für Europaangelegenheiten an. Neben der Terrorgefahr beschäftigt ein weiteres Problem die lettischen Politiker: Soll der Staatspräsident oder ein anderer lettischer Repräsentant an den 9.-Mai-Feierlichkeiten in Moskau teilnehmen?

Einsatzfahrzeuge vor der Charlie-Hebdo-Redaktion nach dem Terroranschlag vom 7.1.2015, Foto: Thierry Caro auf Wikimedia Commons, Lizenz

 

Islamistischer Terror und seine soziale Ursache

Am Donnerstag, dem 8.1.2015, wird die lettische EU-Ratspräsidentschaft feierlich eröffnet. Saeima-Abgeordnete treffen sich mit EU-Kommissaren, am Abend ist eine Festveranstaltung in der Oper geplant. In den Zusammenkünften dürfte nun auch das Pariser Blutbad vom Vortag zur Sprache kommen. ?ig?ne und Pimenovs prophezeien, dass der Terroranschlag die Tagesordnung der lettischen EU-Ratspräsidentschaft verändern werde. Sozialdemokrat Pimenovs erwähnte, dass die Sicherheit der EU-Staaten durchaus zu den geplanten Prioritäten gehöre. Doch bislang habe man dabei vor allem an den Konflikt in der Ukraine gedacht. Nun betreffe diese Frage auch das Zentrum Westeuropas. Es sei wichtig, die Ursachen des Terrorismus zu bekämpfen. Der Saska?a-Politiker sieht in den sozialen Problemen der Immigranten arabischer Herkunft den Grund, weshalb junge Männer zur Kalaschnikow griffen. ?ig?ne kommentierte die Folgen solcher Attentate. Diese werden die Gesellschaft nicht offener machen und fügte ein "leider" hinzu. Als positives Gegenbeispiel zu den französischen Problemen nannte sie Schweden, wo sie eine Zeit lang gelebt habe. Dort sorge sich die Regierung sehr um die Integration von Immigranten. Im Herzen Europas stelle sich die Frage, ob Menschen bereit seien mit anderen zusammenzuleben, die andersartige Wertvorstellungen haben. Das Milieu der Immigranten könne kaum von außen beeinflusst werden. Aus ihrer Mitte ließen sich Personen für den Terror rekrutieren. Nun frage man sich, warum junge Menschen in dieser Weise handelten.

Leuchtreklame am Abend vor dem Weißen Haus in Moskau

Leuchtwerbung für den "Tag des Sieges" (9. Mai) in Moskau, Foto: User:Bernd.Brincken auf Wikimedia Commons, Lizenz

Putins Einladung

Auf Einladungen der russischen Regierung, an der alljährlichen Siegesfeier zum 9. Mai teilzunehmen, reagieren baltische Politiker traditionell ablehnend. Für die Mehrheit in den baltischen Ländern bedeutet der 9. Mai 1945 die Fortsetzung der stalinistischen Herrschaft, also weitere Deportationen, rechtliche Willkür und Russifizierung. Russland als Nachfolgestaat der Sowjetunion hat sich aus Sicht der baltischen Staaten bislang nicht hinreichend mit den Verbrechen der Stalin-Ära auseinandergesetzt. Aber in diesem Jahr ist Lettland in einer besonderen Position. Die lettische EU-Ratspräsidentschaft erfordert die Abstimmung mit den anderen 27 EU-Mitgliedern. Außenminister Edgars Rink?vi?s sieht darin nicht das Problem, das daraus in der lettischen Öffentlichkeit gemacht werde. Er wolle diese Frage mit seinen Kollegen aus anderen EU-Ländern besprechen. Auch ?ig?ne und Pimenovs halten eine gemeinsame EU-Position für wichtig. Zwischen einer Vertreterin der transatlantisch orientierten Partei Vienot?ba und dem Vertreter der russlandfreundlichen Partei Saska?a waren an dieser Stelle unterschiedliche Akzente zu vernehmen. Pimenovs hält es für eine vorrangige Aufgabe, die internationalen Rechtsnormen wieder zu stärken. Er nannte in diesem Zusammenhang den Kosovo, dessen staatliche Anerkennung völkerrechtlich umstritten ist. Der KSZE-Prozess der siebziger Jahre, der den Kalten Krieg überwunden habe, sei ein Vorbild für heutige Vereinbarungen. Die Moskauer Feierlichkeiten zum 9. Mai könne die EU nutzen, um Flagge zu zeigen, um im Sinne des Friedens und der Befriedung zu agieren. Deutlich distanzierter äußerte sich ?ig?ne. Der 9. Mai sei nicht einfach nur eine Feier. An diesem Tag präsentiere die russische Armee ihre militärische Stärke. Angesichts der Einmischung russischer Soldaten in der Ukraine sei eine solche Ehrung emotional schwer hinnehmbar. Doch im Sinne der EU-Ratspräsidentschaft müsse Lettland mit den übrigen EU-Staaten mit einer Stimme sprechen. Putin solle die Sprache der EU verstehen, die geeint und stark sein müsse. Der russische Präsident habe Interesse an einem schwachen und zerstrittenen Europa, daher sei eine gemeinsame Position aller Mitgliedstaaten in dieser Frage sehr wichtig. Der lettische Staatspräsident Andris B?rzi?š betonte am selben Morgen im Lettischen Fernsehen seine Unabhängigkeit. Ob er am 9. Mai nach Moskau fahre oder nicht, betrachtet er als seine persönliche Entscheidung. Seine Amtskollegen aus Estland und Litauen haben bereits abgesagt.

 

Externe Linkhinweise:

lsm.lv: ?ig?ne: Terora akts Francij? maina akcentus Latvijas prezident?r? ES

lsm.lv: Prezidents: Brauciens uz Maskavu 9.maij? b?s mans person?gs l?mums




 
      zurück