Lettisches Centrum Münster e.V.

   

Eine neue Sowjetunion ist offenbar nicht in Planung - Lettischer Außenminister Edgars Rink?vi?s in Moskau
14.01.2015


Teilweise baufällige, teilweise renovierte HolzfassadeGlückliche lettisch-russische Verhältnisse bestehen durchaus. Russen heiraten Lettinnen und Letten Russinnen. Das sind alltägliche Beziehungen, derart normal, dass Journalisten nur selten darüber berichten. Weitaus schwieriger als die Liebe ist - zumindest in diesem Fall - das Politische. Die diplomatischen Beziehungen sind historisch belastet. Der antibolschewistisch-lettischen Lesart steht eine antifaschistisch-russische unversöhnlich entgegen. Dabei verklären beide Seiten die eigenen Taten und verdrängen die eigenen Untaten. Die Weltkriege und die sowjetische Gewaltherrschaft sind in Osteuropa nicht vergessen. Die vielen Opfer hatten traumatische Erlebnisse, die bis heute die Erinnerungskulturen prägen. Die Beziehungen zwischen Riga und Moskau können folglich nicht wirklich gut sein und seit einem Jahr nährt der Ukraine-Konflikt neue wechselseitige Anfeindungen. Der lettische Außenminister war seitdem nicht mehr in der russischen Hauptstadt zugegen. Nun haben die Letten seit Anfang des Jahres die EU-Ratspräsidentschaft inne. Die öffentlichen Diskussionen zeigen, dass sie diese Aufgabe sehr ernstnehmen. Lettische Politiker repräsentieren nun die gesamte EU, also auch jene Mitgliedstaaten, die diplomatische Lösungen suchen. Außenminister Rink?vi?s reiste am 12.1.2015 nach Moskau und traf dort seinen russischen Amtskollegen Sergei Lawrow. Das Lettische Fernsehen berichtete darüber. Gewiss konnte dieser Kurzbesuch nicht die aktuellen europäischen Konflikte lösen. Aber die Politiker zeigten Bereitschaft zur Annäherung.

Die lettisch-russischen Beziehungen sind sanierungsbedürftig, Foto: LP

 

Vom Sinn und Unsinn der Sanktionen

Auf der gemeinsamen Pressekonferenz äußerten sich die Minister zu den Sanktionen, die wegen des Streits um die Ukraine wechselseitig verhängt wurden. Rink?vi?s stellte klar, dass die Handelsverbote kein Selbstzweck seien. Der politische Dialog allein habe keine positiven Resultate erbracht. Zwar seien gute Vereinbarungen erzielt worden, doch das Minsker Abkommen werde nicht erfüllt. Falls die EU hier Fortschritte erkenne, sei sie zur Milderung oder Aufhebung der Sanktionen bereit. Die EU-Länder beschlossen im Sommer 2014, russischen Banken den Zugang zu ihren Finanzmärkten zu verweigern und fortan weder Waffen noch Erdölfördertechnik zu liefern. Die russische Regierung reagierte mit einem Lebensmittelembargo, das unter anderem die lettischen Milchbauern trifft. Lawrow entgegnete, seine Regierung habe nicht mit der Sanktionsspirale begonnen. Die westlichen Maßnahmen gegen sein Land seien absolut illegitim und unproduktiv. Darunter litten alle. Aber Lawrow ist überzeugt, dass Russland daraus gestärkt hervorgehe. Auch der neue militärische Argwohn war Thema. Rink?vi?s stellte die Nato-Perspektive dar: Die zunehmenden militärischen Aktivitäten Russlands in der Ostseeregion seien nicht nachvollziehbar. Russische Militärflugzeuge bedrohten die zivile Luftfahrt. Die Nato sei zur Reaktion gezwungen und verstärke ihre Präsenz. Man müsse wieder ein Klima des Vertrauens schaffen, darüber sei man im Gespräch. Lawrow sprach russisch-lettische Streitthemen an: Rigas "unfreundliches" Agieren gegen russische Kulturschaffende und Politologen, die "ungünstige" rechtliche Lage der russischen Minderheit in Lettland, das massenhafte Problem der Staatenlosen und die Heroisierung der SS-Legionäre.

Russische Botschaft mit abweisendem Metallzaun

Die russische Botschaft in Riga, Foto: LP

 

Lettland soll nicht wieder sowjetisch werden

Ein Auspruch Wladimir Putins von 2007 verursacht bis heute Besorgnis und Argwohn in den baltischen Ländern: "Der Zusammenbruch der Sowjetunion war die größte geopolitische Katastrophe des 20. Jahrhunderts". Das irritiert angesichts dessen, was Russen und andere Sowjetbürger bis dahin bereits erlebt hatten. Sogenannte "Putin-" bzw. "Nato-Versteher" interpretieren diesen Satz völlig gegensätzlich. Die baltische Schlussfolgerung, dass Putin damit die Absicht kundtat, die Sowjetunion wieder herzustellen, ist nur eine von vielen möglichen Lesarten. Die Anwesenheit russischer Soldaten in Georgien, auf der Krim und in der Ostukraine gilt Balten und Polen als Nachweis für dieses imperiale Vorhaben. Der TV-Korrespondent der lettischen Nachrichtensendung Panorama, Gundars R?ders, fragte den russischen Außenminister, ob Russland die Erneuerung der Sowjetunion plane und ob es die baltischen Länder als Teil der russischen Welt betrachte. Lawrow meinte, die Frage berühre unterschiedliche Aspekte. Der lettische Korrespondent solle ihm die Quellen nennen, in denen offizielle russische Vertreter sich für die Erneuerung der Sowjetunion einsetzten. Offenbar existieren solche nicht. Die Frage nach der "russischen Welt" beinhalte etwas völlig anderes, nämlich die Sprache und Kultur, gemeinsame kulturelle und religiöse Orientierung. Man könne dies mit dem Wort "Frankophonie" vergleichen. Die russische Welt betreffe nicht nur Russland, sondern auch jene Bevölkerungsgruppen, die in anderen Staaten leben, aber in der russischen Kultur aufgewachsen seien. Natürlich stärke und fördere Russland solche Minderheiten. Dafür gebe es wissenschaftliche und kulturelle Zentren, dazu diene das Geld aus russischen Fonds, Russland leiste solchen russischen Ethnien auch international rechtlichen Beistand. Dies sei absolut legitim. Bezogen auf Lettland habe Russland ein Interesse daran, dass die Russischstämmigen dort als vollwertige Bürger behandelt werden. Lettlands Russen wollten weder eine Sowjetunion noch eine Angliederung an Russland, aber ins Nachbarland reisen und wieder dorthin zurückkehren, wo sie geboren sind. Russland interessiere sich ausschließlich dafür, dass Lettland die Empfehlungen der UN und des Europarates gegen Diskriminierung beachte, nicht mehr und nicht weniger. Diese seien wohlbekannt und bedrohten weder Lettlands Souveränität noch seine Sicherheit. Diese Empfehlungen, die sich auf die Regelung des Sprachenstreits und auf den Erwerb der Staatsbürgerschaft beziehen, seien in Lettlands eigenem Interesse.

Russisch-orthodoxe Kirche in Riga

Die russisch-orthodoxe Kultur ist in Riga präsent, Foto: LP

 

Hoffnung auf Einigung

Rink?vi?s vertrat die westliche Position. Die EU werde die Annexion der Krim nicht anerkennen. Die demokratische Welt habe bereits Erfahrungen mit der Politik der Nichtanerkennung gesammelt. Diese habe den Freiheitsgeist in Osteuropa geschaffen. Zum Vorwurf der vorenthaltenen Staatsbürgerschaft meinte der lettische Außenminister, dass sie in seinem Land leicht zu erwerben sei. Doch ein Teil der Staatenlosen wünsche eine Naturalisierung gar nicht. Um den lettischen Pass zu erwerben seien lettische Sprachkenntnisse, Wissen über die lettische Verfassung und über die historischen Grundlagen des lettischen Staats erforderlich. Die Staatsbürgerschaft sei eines der Themen, das bei jedem Treffen zwischen russischen und lettischen Vertretern besprochen werde und keine Seite rücke von ihrer Position ab. Trotz der chronischen Unstimmigkeiten endete der Besuch mit dem Hoffnungsschimmer, dass sich der Streit zwischen dem Westen und Russland nicht weiter verschärft und die Verantwortlichen an einer Lösung interessiert sind. K?rlis Eihenbaums, Pressesprecher des lettischen Außenministeriums, zog gegenüber lsm.lv folgendes Fazit: "Es ist spürbar, dass beide Seiten sich einigen wollen. Sie müssen nur noch herausfinden, wie. Daher könnte eine Einigung gelingen. Beide sprachen davon, dass das Minsker Abkommen beachtet werden muss und dies ist schon recht wichtig."

 

Externe Linkhinweise:

tvnet.lv: Rink?vi?s: lai atceltu sankcijas, Krievijai j?s?k pild?t pan?kt?s vienošan?s

tvnet.lv: Rink?vi?s: naturaliz?ties Latvij? ir viegli, bet daudzi to nev?las

lsm.lv: ?M: Sarunas gan Kijev?, gan Maskav? vieš cer?bu konflikta risin?jumamM: Sarunas gan Kijev?, gan Maskav? vieš cer?bu konflikta risin?jumam




 
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