Lettisches Centrum Münster e.V.

   
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Zum 155. Geburtstag des Malers Janis Rozentals
19.03.2021


“Eine Persönlichkeit mit eigener Weltsicht und eigenem Empfinden”

Rozentals, Selbstporträt, 1900, Foto: Neaizsargâts darbs, Saite

Dass dereinst der Platz vor dem Nationalen Kunstmuseum Rigas nach ihm benannt und von seinem Denkmal geziert würde, das war zu Beginn dieses Malerlebens kaum vorauszusehen. Janis Rozentals kam am 18. März 1866 in der kinderreichen Familie des Schmieds Mikels und seiner Frau Lavize in Saldus zur Welt. Die Eltern schätzten Bildung, Mikels hatte sich selbst Lesen und Schreiben beigebracht. Aber Janis musste den Besuch der Gemeindeschule abbrechen, weil das Geld nicht reichte. Als Vierzehnjähriger begab er sich nach Riga, um Arbeit zu suchen. Er jobbte als Verkäufer und Buffetdiener, schließlich fand er eine Lehrstelle beim Maler Juliuss Celevics, außerdem nahm er Zeichenunterricht an der deutschen Gewerbeschule. 1888 gewann Rozentals für die Zeichnung einer Gipsbüste die Silbermedaille der Petersburger Kunstakademie. Das spornte ihn an, in die russische Hauptstadt zu ziehen und das Studium an dieser Akademie zu wagen.  Rozentals, Tod, 1897, Foto: Neaizsargâts darbs, Saite

Mit lettischen Kommilitonen gründete er die Vereinigung “Ruki” (Zwerge). Die Ausbildung war klassisch-konventionell, also antimodern. Rozentals lernte den russischen Realismus kennen und verwendete diesen Stil für lettische Volksszenen. Die Sommerferien verbrachte er in Saldus, wo er das Bauernleben beobachtete. Seine Abschlussarbeit “Nach dem Gottesdienst” von 1894, eines seiner bekanntesten Bilder, zeigt die Messbesucher seines Heimatorts mit der Johannis-Kirche im Hintergrund.

  

Rozentals, Nach dem Gottesdienst 1894, Neaizsargâts darbs, Saite

Zur Jahrhundertwende kehrte Rozentals nach Saldus zurück. Ihm gelang es aber nicht, an seinem Geburtsort ein Auskommen zu finden. Die Menschen zeigten kein Verständnis für die zeitgenössische Kunst. Er zog wieder nach Riga, unterrichtete als Kunstlehrer, schrieb für Zeitschriften über Malerei, entwickelte eine eigene Kunstkonzeption, beteiligte sich an Ausstellungen. Bald konnte er von seiner Arbeit so gut leben, dass er mit seiner finnischen Frau, der Sängerin Ellija Forselli, die geräumige Mansarde auf der Alberta Straße 12 bezog, im Wohnhaus des Jugendstil-Architekten Konstantins Peksens, der ihm unter dem Dach ein Atelier einrichtete. In der Wohnung des Künstlerpaars fand der Schriftsteller Rudolfs Blaumanis Unterschlupf. Das Interesse am Alltagsleben der lettischen Landsleute einte den Maler und den Literaten. Rozentals blieb aber nicht bei realistischen Darstellungen, weil für sie nicht genügend Nachfrage bestand. Er beschäftigte sich fortan mit symbolistischen Motiven, allegorischen Darstellungen von Sünde und Tod, verwendete auch Jugendstil-Formen, sein Schaffen wurde immer vielfältiger.

  

Rozentals, Porträt Merija Grosvaldes, 1902, Foto: Neaizsargâts darbs, Saite

In der Revolution von 1905 zeigte sich das Emanzipationsstreben der lettischen Arbeiter und Bauern. Rozentals beteiligte sich nicht aktiv an Streiks, Demonstrationen oder gewaltsamen Aufständen. Doch er sympathisierte mit ihren Kämpfen und unterzeichnete einen Aufruf, um Bürgerrechte einzufordern. Diese Zeit war für Rozentals deprimierend. I. Nefedova beschreibt sie als Schaffenskrise: “Die Zeit nach der Revolution ist für Janis Rozentals` Kunst schwierig. Er ist bestrebt, neue Ausdrucksmittel zu finden, ist beständig mit dem Getanen unzufrieden und er erlebt eine tiefe innere Krise.” (periodika.lv) 

  

Rozentals, Menschenkind und Naturgeister 1907, Foto: Neaizsargâts darbs, Saite

1912 reiste er mit seiner Frau nach Frankreich, Italien und Deutschland. Er lernte westeuropäische Malrichtungen kennen, was ihn neu inspirierte. Er malte nun impressionistischer und idyllischer. Doch dieser neue Aufbruch wurde vom herannahenden Krieg unterbrochen. Mit seiner Frau floh er vor den deutschen Truppen nach Helsinki. Als die Kanonen donnerten, organisierte er in Petersburg eine lettische Ausstellung und erkrankte dabei schwer. Von der Lungenentzündung erholte sich Rozentals nicht mehr. Er starb 1916 in Helsinki, angeblich vor der Staffelei und mit dem Pinsel in der Hand. Vier Jahre später wurde sein Leichnam auf den Rigaer Waldfriedhof überführt. 

  

Rozentals, Italienische Landschaft 1915, Foto: Neaizsargâts darbs, Saite

Rozentals hinterließ ein vielgestaltiges Werk in vermischten Stilformen, zu dem Gemälde des dörflichen Alltags gehören, impressionistische Idyllen, symbolistische Szenen und Landschaftsbilder sowie zahlreiche Porträts. Für Nefedova ist Lettlands bekanntester Maler kein Imitator gewesen, denn Rozentals verarbeitete Einflüsse auf seine eigene Art: “Verschiedene Einflüsse internationaler Künstler werden Janis Rozentals zugeschrieben. So ist es gewiss, denn kein Künstler schafft aus dem Nichts. Doch Rozentals hat keinen Meister der Welt einfach nachgeahmt. Er ist eine Persönlichkeit mit eigener Weltsicht und eigenem Empfinden.”

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