Lettisches Centrum Münster e.V.

   
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Am 7. April 2021 endete der Corona-Ausnahmezustand in Lettland - doch zahlreiche Beschränkungen bleiben in Kraft
08.04.2021


Peteris Apinis wirft der Regierung Fehler in der Pandemiebekämpfung vor

Covid-19-Labor in Lettland, Foto: Biafra, Pasa darbs CC0, Saite

In Katastrophenfällen hat das lettische Ministerkabinett das Recht, den Ausnahmezustand für eine drei Monate währende Frist zu verkünden. Dann kann die lettische Regierung ohne parlamentarische Zustimmung Beschlüsse fassen, um die Krise zu bewältigen. Seit Beginn der Pandemie hat Ministerpräsident Krisjanis Karins diesen Zustand bereits zweimal ausgerufen. Das zweite Mal Anfang November und dieses Mal wurde er bis zum 7. April verlängert. Auch wenn die Regierung ihn nun beendet hat, bleiben zahlreiche Beschränkungen in Kraft und Karins will nicht von “Lockerungen” sprechen. Für Reisende bleibt der Grenzübertritt schwierig (Die Einreise ist weiterhin nur mit besonderer Begründung gestattet, Reisende müssen das Zertifikat eines negativen PCR-Tests vorlegen, der nicht älter als 72 Stunden sein darf, sich auf der Webseite covidpass.lv registrieren und sich nach Ankunft zehn Tage lang in Selbstisolation begeben. Weitere Informationen für Reisende in englischer Sprache: mfa.gov.lv)

 

 

Vor einigen Wochen gehörte Lettland zu den Ländern mit höchster Inzidenzzahl in Europa. Inzwischen hat sich die Situation leicht entspannt. Die 14-tägige Inzidenz Lettlands befindet sich nach der aktuellen SPKC-Liste mit einem Wert von 380,5 im europäischen Mittelfeld, deutlich besser als Nachbar Estland, der mit 1364,1 Fällen pro 100.000 Einwohner derzeit die Liste anführt. (Zum Vergleich: Ungarn: 1196,9; Polen 923,2; Frankreich: 704; Italien: 518; Österreich: 481,3; Litauen: 312; Schweiz: 266,3; Deutschland: 248,2; Portugal: 60,2; Island: 27,5 und Vatikan: 0 (spkc.gov.lv)).

 

 

Im Interview mit TV3, das Karins Ende März gab, meinte der Regierungschef, dass der Pandemiebekämpfung noch ein langer Weg bevorstehe. Ein Ausnahmezustand sei aber nicht mehr erforderlich. Die Saeima habe der Regierung genügend Befugnisse eingeräumt, um bei einer Verschlechterung der Lage zu handeln. Die dritte Covid-19-Welle habe auch Lettland erreicht, da die Bürger aber die Maßnahmen beachteten, führe das “Gott sei Dank” nicht zu einer starken Zunahme der Erkrankungen. Er forderte die Bürger auf, weiterhin wachsam und vorsichtig zu bleiben: “Wir planen nicht, breit zu öffnen oder zu lockern. Wir müssen die Bedürfnisse der Menschen dagegen abwägen, wenn wir nicht wünschen, dass sie erkranken. Wir heben nichts auf, sondern ordnen Beschränkungen neu, damit sie längerfristig Bestand haben.” (santa.lv)



Ab 7. April 2021 treten in Lettland folgende Covid-19-Bekämpfungsmaßnahmen in Kraft (mfa.gov.lv):



Persönliche Treffen und Veranstaltungen:

Öffentliche und private Veranstaltungen mit persönlichen Begegnungen sind verboten.

Demonstrationen bis zu zehn Teilnehmenden sind erlaubt, wenn die Sicherheitsbestimmungen beachtet werden.

Privatpersonen aus zwei Haushalten dürfen sich außerhalb geschlossener Räume treffen, maximal sind zehn Personen erlaubt. Solche Gruppen sind auch bei Beerdigungen und unaufschiebbaren christlichen Zeremonien gestattet. Dabei müssen der Sicherheitsabstand zu den übrigen Anwesenden beachtet und Mund- und Nasenbedeckung getragen werden.

Unter Beachtung der Covid-19-Bestimmungen dürfen Freilichtmuseen und Naturpfade aufgesucht werden.

Bibliotheken dürfen Bücher verleihen, damit sie zuhause gelesen werden.

An religiösen Stätten werden Veranstaltungen nur mit 20 Prozent der sonst zulässigen Höchstzahl an Besuchern gestattet.



Geschäfte und Handel 

Friseure sowie Manikür- und Pedikür-Salons dürfen öffnen.

    Nur einzelne dürfen einkaufen, ausgenommen Kinder bis zu zwölf Jahren und Menschen, die Hilfe benötigen. Kunden, die die epidemiologischen Bestimmungen missachten, dürfen nicht bedient werden. Am Eingang muss klar erkennbar sein, wieviele Kunden sich maximal im Geschäft aufhalten dürfen.

Ab dem 7. April dürfen alle Geschäfte außerhalb großer Handelszentren unter Beachtung der Sicherheitsbestimmungen öffnen, wenn die Verkaufsfläche weniger als 7.000 m² beträgt.

In Handelszentren mit einer Verkaufsfläche über 7.000 m², in denen mindestens fünf Inhaber von Geschäften oder Dienstleistungen ihren Service anbieten, dürfen nur jene Läden öffnen

deren Sortiment zu mindestens 70 Prozent aus Lebensmitteln oder Hygieneartikeln bestehen

Apotheken und Optikergeschäfte

Läden für Tierfutter

Blumen-, Buch- und Zeitschriftenhandlungen

    Zudem dürfen in Handelszentren Dienstleistungen angeboten werden (z.B. chemische Reinigung, Bankservice, Reparaturen, doch die in Fernbestellung erworbene Ware darf in solchen Zentren nicht ausgegeben werden.

    Straßenhandel und Jahrmärkte ohne Vergnügungsveranstaltungen wie beispielsweise thematische Feste und Attraktionen sind gestattet. An solchen Märkten dürfen nicht mehr als 20 Händler teilnehmen und die Veranstalter müssen mindestens zwei Meter Distanz zwischen den Ständen, dem Besucherstrom und der Abgrenzung des Territoriums gewährleisten.



Gaststätten und Restaurants

Speisen und Getränke dürfen zum Mitnehmen verkauft werden



Lettland hat im Gegensatz zu Deutschland nur einen Ministerpräsidenten. Der Uneinigkeit der 16 Landesregierungen lastet die deutsche Öffentlichkeit die Mängel in der Pandemiebekämpfung an (reuters.com). Doch auch manche lettische Beobachter kritisieren die verantwortlichen Politiker scharf. Peteris Apinis, Arzt und oppositioneller Politiker, der sich dazu bekennt, “brennender” Impfbefürworter zu sein, erörtert in einem langen Artikel unter zahlreichen Gesichtspunkten, weshalb Menschen die Spritze verweigern oder hinauszögern (la.lv). Das sei nicht allein die Schuld entschiedener Impfgegner: “Der Autor [Apinis] ist der Ansicht, dass Krisjanis Karins und [Gesundheitsminister] Daniels Pavluts, die mit zweifelhafter Ausbildung superteure Impfbüros, superteure Medienkampagnen und sinnlose riesige Impfzentren geschaffen haben, für Impfungen und das mangelnde Vertrauen ihnen gegenüber die größeren Probleme bereiteten, auf diese Art das Misstrauen mehr vergrößerten als jene.” 

 

Zudem wirft er Karins` Parteifreunden vor, die Corona-Politik mit kommerziellen Interessen zu vermischen, daher habe es die Kampagne gegen Astrazeneca gegeben, welche nun negative Folgen für alle Impfungen mit sich bringe: “Leider muss ich eingestehen, dass mit Astrazeneca lettische Einwohner nicht mehr geimpft werden, ihm nicht mehr vertraut wird und gekauftes Astrazeneca weggeworfen werden muss. Ich habe mich natürlich sorgfältig mit den Informationen der Europäischen Arzneimittel-Agentur vertraut gemacht, dass Astrazeneca-Impfungen mit der Entstehung von Thrombosen in Zusammenhang stehen, doch das Risiko im Falle einer Covid-19 Erkrankung reanimiert zu werden oder auf den Friedhof zu gelangen, ist vielfach höher. Aber die Mehrheit wünscht diese Bemerkung nicht zu hören.”


Neben vielen weiteren Beobachtungen Apinis` ist eine besonders aufschlussreich: Die Parteigänger gegensätzlicher Ansichten zur Corona-Politik entwickelten sich zu Kultgemeinden mit religiösen Anzeichen. Seiner Auffassung nach weisen sowohl die Regierung und die sie unterstützenden Medien als auch die Anti-Impfbewegung kultische Züge auf. Die Menschen ließen sich in zwei verfeindete Lager teilen. Beide Gruppen hätten ihre Märtyrer, die neue Sympathisanten anlocken und nach und nach radikalisierten sich die verfeindeten Bewegungen. Das Mantra Karins`, der staatlichen Medien und der [investigativen Redaktion] Re:Baltica seien “Masken, Seifen, zwei Meter und bleibt zuhause”. 


“Allerdings ist die wesentliche Tätigkeit des Kults, Andersdenkende zu bekämpfen und einzugrenzen. Die indirekt zu einer Covid-19-Sekte mutierte lettische Regierung ist völlig in ihrer Haltung verschlossen und ihre ganze Arbeit richtet sich auf Beschränkungen, Verbote, Demütigung von Menschen und Fetische (Maske). Für das Verbot sportlicher Betätigung bestehen überhaupt keine epidemiologischen oder auch nur politepidemiologischen Argumente. Das Verbot sportlicher Betätigung ist eine Beschränkung für jene, die beim Sport ihre Endorphine freisetzen und durch ihn Wohlbefinden erlangen. Den Virus beim Marathonlauf zu verbreiten oder sich zuzuziehen ist einfach nicht möglich. Weshalb verbietet die Regierung ihn - damit das Wohlgefühl jener verringert wird, die mit Laufen, Skilaufen oder Tennisspielen Glückshormone erlangen. Es ist sehr sonderbar, dass die Verbote der derzeitigen lettischen Regierung noch nicht den Sex betreffen.”


Gewiss formuliert Apinis mit der Polemik des Oppositionspolitikers; doch manche seiner Überlegungen dürften Leser nachdenklich stimmen. Dass sich Gruppen unterschiedlicher Ansichten zu verfeindeten Kultgemeinden radikalisieren, ist nicht nur beim Thema Corona ein sichtbarer Trend unter heutigen Zeitgenossen.

UB




 
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