Lettisches Centrum Münster e.V.

Lettland: Staatliche Medienaufsicht verbietet Ausstrahlung russischer Sender
10.02.2021


“alle Grenzen überschritten”

Foto: RTR Planeta - RTR Planeta website, Gemeinfrei, Link

 

Der von der Saeima eingesetzte fünfköpfige Nationale Rat für elektronische Medien (NEPLP), der die Radio- und TV-Programme des Landes beaufsichtigt, hat die Verbreitung von Rossija RTR und 16 weiterer russischer TV-Programme auf lettischem Territorium untersagt. In Sendungen des in Schweden registrierten russischen Auslandssenders Rossija RTR werde zu Hass, Gewalt und militärischer Konfliktlösung angestiftet, die übrigen Programme wurden aus formellen Gründen von der Verbreitung ausgeschlossen. 


NEPLP-Vorsitzender Ivars Abolins, dem lettische Medien eine enge Beziehung zur russlandskeptischen Nationalen Allianz nachsagen, kommentierte den Beschluss: „Für Programme, die zum Hass anstiften und zum Krieg auffordern, gibt es auf lettischem Territorium keinen Platz. `Rossija RTR`, das als wichtigstes TV-Programm der Kreml-Propaganda zu betrachten ist, hat alle Grenzen überschritten und wir haben unseren Informationsraum verteidigt, verteidigen ihn und werden ihn auch in Zukunft verteidigen.“ (neplppadome.lv)


NEPLP nennt vier RTR-Sendungen, die nach Ansicht der Medienkontrolleure gesetzeswidrig waren. Am 10. Juli 2020 habe Moderatorin Olga Skabeyeva in der Sendung „60 minut“ die Ukraine als einen terroristischen Staat und Petro Poroschenko als Terroristen bezeichnet. Das Narrativ der Sendung habe die Ukraine verächtlich gemacht. Diskussionsbeiträge hätten Anzeichen für die Anstiftung zum Hass geboten. 


Zwei weitere 60-Minut-Sendungen führt NEPLP als Belege an. In der Ausgabe vom 17. September 20, die Evgeny Popov moderierte, habe man behauptet, dass die Staaten auf dem Gebiet der ehemaligen UdSSR unfähig und gescheitert seien. Zudem seien militärische Drohungen ausgesprochen worden. In den aufgeführten Zitaten stellen die Diskussionsteilnehmer baltische Gebiete in Frage, zum Beispiel in diesem: „Jekabpils ist eine russische Stadt auf lettischem Territorium, völlig russisch. Die Jungs haben mir mal gesagt, dass es dort nur russisches Radio in russischer Sprache gibt. Estland – was für ein Tallinn? Reval! Im nächsten Jahr sind es 300 Jahre her. Ich verkünde: `Benennt Tallinn um, erneuert Reval!` und Narwa ist als Bestandteil Russlands zurückzugeben. Dort gibt es nur russische Einwohner. Wir müssen das machen. Russische Schulen schließen? Schließt die Grenzen für den Handel mit Estland. So lässt sich voranschreiten, sie schwächen, damit sie sich fürchten. Schauen Sie, unsere Streitkräfte begannen Manöver. Vollständige Verlegung zur Grenze, nachladen, Raketen aufstellen, sie sind alle Feiglinge, der Klang der Ketten unserer Panzer... das ist es, was ihnen vor uns Respekt einflößt, sonst erzählen sie uns jeden Monat irgendwas.“ (neplppadome.lv)


Als weitere Gesetzeswidrigkeit führt NEPLP die 60-Minut-Sendung vom 21. Oktober 2020 an. In der von Popov und Skabeyeva geleiteten Diskussionsrunde sei u.a. die belarussische Opposition verächtlich gemacht und zu Gewalt und Einsatz des Militärs aufgerufen worden. Zur belarussischen Oppositionsführerin Swetlana Tichanowskaja notiert NEPLP: „Wir müssen Spezialeinheiten schicken, sie sitzt in Vilnius. Man muss sie aus dem Hotel entführen, nach Minsk bringen und vor ein Tribunal stellen! Tribunal! Jetzt heranschaffen. Tribunal! Und im Zentrum von Minsk hängen, damit alle das sehen.“


Als vierte Sendung moniert NEPLP die Talkshow „Der Sonntagabend mit Wladimir Solowjow“ vom 6. Dezember 2020. Der Moderator habe mehrmals sich feindselig und aggressiv an die ukrainischen Gäste gewandt, sich verächtlich gegenüber dem ukrainischen Volk gezeigt, zum Beispiel: „Sie (gemeint sind Ukrainer) sind nazistischer Abschaum. Der Westen wird Sie niemals sanktionieren, aber ich hoffe, dass wir gegen Sie Sanktionen einführen und Sie dann tatsächlich zittern werden.“ Zudem zitiert die lettische Medienaufsicht aus dieser Sendung fälschliche Darstellungen über lettische Sprachgesetze: „In Lettland sind Journalisten im Gefängnis, weil sie russisch denken und schreiben, auch wenn sie mit jemandem russisch reden, das sei in Lettland schon ein Verbrechen. Er (unklar, wer gemeint ist) sagt, als die Sowjetunion zerfiel, habe es ein Chaos blutleerer Regime gegeben, Millionen Flüchtlinge, internationale Konflikte, wieviele Menschen verarmten, wie groß war der angerichtete Schaden und stellt fest, dass es gut gewesen wäre, hätte man die Sowjetunion erhalten.“


Rossija RTR ist in der russischsprachigen Minderheit beliebt. Wenige Tage später verkündete NEPLP, weitere 16 russischsprachige Sender aus dem Kabelnetz entfernen zu lassen. Doch hier argumentierten die Medienwächter nicht inhaltlich, sondern formal. Für diese TV-Kanäle habe man keine verantwortlichen Ansprechpartner für Lettland gefunden. Das wiederholte Vorgehen, russische Sender zu sperren, findet Medienexpertin Anda Rozukalne bedenklich: „Das könnte für die Gesellschaft auch politische Folgen haben, denn das bedeutet für mehrere hunderttausend Zuschauer den Bruch ihrer Gewohnheiten. Ein Teil dieser Zuschauer nutzt kein breites Medienspektrum und Fernsehen ist nach wie vor sehr wichtig und unter den Genannten sind sogar die populärsten (Sender) in Lettland. Aus Zuschauersicht könnte das teilweise großen Ärger und Missmut verursachen. Du möchtest dich entspannen, deine Lieblingsshow sehen, aber du bist nicht mehr imstande, sie anzuschauen.“ (lsm.lv)


Der ehemalige Rigaer Bürgermeister Nils Usakovs erwägt andere Gründe für die Sperrung russischer TV-Kanäle. Dem russischen Webportal Sputnik erklärt er das NEPLP-Verbot mit dem Verhalten der lettischen Regierung, die sich nicht bemüht, russischsprachige Einwohner über die Pandemie und Impfstoffe aufzuklären.


Der Staat sei nicht imstande, sich mit russischsprachigen Einwohnern zu verständigen, die dem Staat nicht vertrauen, nicht zuhören, was er sagt. Der Staat hingegen schließt erst einmal die russischsprachigen Nachrichtendienste in den privaten und öffentlich-rechtlichen Medien. Nun beginnt er auch noch, die TV-Kanäle in russischer Sprache zu schließen. 


Der jetzige EU-Abgeordnete ist überzeugt, dass die Russischsprachigen nun nicht beginnen werden, (den lettischen Sender) LTV1 zu sehen und (das lettische Radioprogramm) LR1 zu hören. Die Russischsprachigen werden sich umschauen, um mit anderen technischen Lösungen ihre Lieblingsprogramme zu sehen. „Jeder Schritt der Regierung in dieser Krise verschlimmert nur die Lage. Die Schließung der TV-Kanäle in russischer Sprache führt unter den gegebenen Umständen nur zu noch höheren Risiken für die staatliche Sicherheit. An uns allen liegt es, nach der Epidemie das Gesundheitssystem und Bildungswesen in Ordnung zu bringen. Und die `russische` Frage zu lösen.“ (sputniknewslv.com)




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