Latviešu Centrs Minsterē

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Lettisches Verfassungsgericht erkennt das Recht gleichgeschlechtlicher Paare auf Urlaub an
13.11.2020


“Eine der historischen Entscheidungen für die LGBT-Bewegung”

LGBT-Demonstration, Foto: Silar - Eigenes Werk, CC BY-SA 4.0, Link


“Der Staat schützt und unterstützt die Ehe – eine Gemeinschaft zwischen Mann und Frau, sowie die Familie und Rechte der Eltern und des Kindes. Insbesondere hilft der Staat behinderten Kindern sowie Kindern, die ohne elterliche Sorge sind oder unter Gewalt gelitten haben,” lautet Artikel 110 der lettischen Verfassung. Die Richter urteilten am 12. November 2020, dass aufgrund dieses Artikels einer gleichgeschlechtlichen Lebenspartnerin nach der Geburt eines Kindes ihrer Gefährtin ein zehntägiger Urlaub zusteht, so wie er auch Vätern gewährt wird. Nachdem im Sommer sich die Verfassungsrichter sozialer zeigten als der Gesetzgeber, der die Sozialhilfe derart gering festsetzte, dass niemand davon leben kann, erweisen sie sich nun liberaler als die Mehrheit der Parlamentarier, die in den letzten Jahren jegliche Anstrengung verweigerten, die gesetzlichen Bestimmungen für sexuelle Minderheiten zu verbessern.

Nach Auffassung des Gesetzgebers steht der Urlaub nach Geburt eines Kindes nur Vätern zu. Diese arbeitsrechtliche Norm halten die Richter nicht für verfassungsgemäß. Sie urteilten, dass heutzutage eine Familie nicht immer aus einer heterosexuellen Ehe hervorgehe. Der Staat schütze und unterstütze jegliche Familie und alle ihre Mitglieder. Die Richter definieren die Familie als soziale Institution, die aus persönlichen Beziehungen bestehe, die auf Verständnis und Achtung basierten. Solche Beziehungen entstehen nicht nur auf Grundlage der traditionellen Ehe, sondern auch auf der Basis faktischen Zusammenlebens.  

Das Urteil richtet sich gegen die homophoben Stereotypen, die innerhalb der Gesellschaft bestehen. Sie dürfen in einem demokratischen Rechtsstaat nicht zur Rechtfertigung dienen, bestimmten Personengruppen Grundrechte vorzuenthalten oder zu begrenzen. Die sexuelle Selbstbestimmung ist durch die Verfassung geschützt. Richterin Sanita Osipova merkte an, dass homosexuellen Paaren in Lettland überhaupt kein rechtlicher Schutz gewährt werde. Im Arbeitsrecht gebe es noch weitere Punkte, die auf homosexuelle Paare angewendet werden müssten, beispielsweise das Recht auf einen freien Arbeitstag am ersten Schultag. Die Richter beauftragten die Parlamentarier, die gesetzlichen Bestimmungen im Arbeitsrecht, die gleichgeschlechtliche Paare benachteiligen, bis Juni 2021 zu ändern.

Die Regierungen und Saeima-Abgeordneten der letzten Jahrzehnte ignorierten nicht nur die Forderungen von LGBT-Gruppen, sondern gaben der homophoben Stimmung ihrer Wählerschaft nach und verankerten das Verbot gleichgeschlechtlicher Ehen in der Verfassung. Häufig antworten Politiker ausweichend oder offen ablehnend, wenn es um die Rechte sexueller Minderheiten geht. Für Kaspars Zalitis, Vertreter der Vereinigung Mozaika, die zahlreiche “LGBT-Pride-Gänge” durch die Rigaer Innenstadt organisierte, bezeichnete das Urteil als eine der historischen Entscheidungen zugunsten der LGBT-Bewegung, die andere sei die Entkriminalisierung der Homosexualität im Jahr 1992 gewesen. Er wies auf den langjährigen Unwillen der Saeima hin, diese Fragen anzugehen.

 

Verfassungsrichter begründen am 12. November 2020 ihr Urteil.

Auch in der derzeitigen Saeima bilden konservativ gesinnte Abgeordnete die Mehrheit. Sozialministerin Ramona Petravica, Mitglied der rechtspopulistischen Partei Kam pieder Valsts, unterstützt sie und sieht im Urteil der Verfassungsrichter “eine Bedrohung familiärer Werte”. Viele Gesetze müssten angepasst werden. Zwischen liberalen Minderheitenrechten und vermutlich homophober Mehrheitsgesinnung hat Petravica ihre Wahl getroffen: “Man muss sagen, das ist eine Angelegenheit für ein Referendum. Wie man in den sozialen Netzwerken sehen kann, spaltet diese Frage mehr, als dass sie eint. Offensichtlich ist unsere Gesellschaft derzeit nicht bereit dazu.”

Völlig entgegengesetzt kommentierte die Abgeordnete Dace Ruksane-Scipcinska, Mitglied der liberalen Regierungsfraktion Attistibai/Par, die sich aktiv für LGBT-Rechte einsetzt. Sie hofft darauf, dass die Saeima endlich handelt. Das Urteil sei “eine große Freude” gewesen, nicht nur für sie, sondern auch für ihren Freundeskreis, in dem gleichgeschlechtliche Paare mit Kindern zusammenleben. “Gestern [am Tag des Urteils] hatten wir ein richtiges Fest.” 

UB

 


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