Latviešu Centrs Minsterē

   

Lettland will keine dicken Kinder!
11.09.2006


dick“Wehret den Anfängen“, denkt sich wohl die lettische Gesundheitsbehörde und schielt dabei besorgt auf die wohlbeleibten und bewegungsfaulen Sprösslinge Westeuropas. Mag der westliche Lebensstil noch so frei sein, gesund ist er deswegen noch lange nicht. Bereits im Jahre 2002 mahnte die WHO (World Health Organisation) in ihrem europäischen  Gesundheitsreport, dass Übergewicht und Fettleibigkeit unter den Jugendlichen Europas deutlich zugenommen habe. Allein in Deutschland tragen zwischen 10 und 18 Prozent aller jugendlichen Schüler zu viele Pfunde mit sich herum. Langfristige Gesundheitsschäden sind damit unvermeidlich,  Folgekosten für das strapazierte deutsche Gesundheitssystem wahrscheinlich. Dazu will es die Regierung in Riga erst gar nicht kommen lassen.

 

Passend zum Schulbeginn am 1. September verbietet Riga den Verkauf von ungesunden Lebensmitteln in den örtlichen Schulkantinen. Neben Pommes, Chips und Schokoriegel hat es die lettische Gesundheitsbehörde besonders auf  Coca Cola und den Derivaten seiner Mitbewerber abgesehen. Jene braune Limonade erfreut sich wegen seines hohen Zuckergehaltes besonders bei den Kindern größter Beliebtheit. Doch was allerorts zunächst die Kassen der Zahnärzte klingeln lässt, beunruhigt die verantwortliche Behörde in Lettland: „Die Kinder werden dicker, Allergien nehmen wegen der künstlichen Zusatzstoffe zu. Jugendliche haben die Tendenz, diese Getränke in großen Mengen zu konsumieren, ungeachtet der Risiken", heißt es in einer Erklärung des Gesundheitsministeriums.

 

Markenartikler sind bekanntlich darauf erpicht, möglichst früh ihre Zielgruppen anzusprechen. Nachhaltigkeit nennen dies die Vermarktungsexperten, klassische Konditionierung ihre Kritiker. Der weltweit größte Cola Brausenhersteller aus Atlanta  findet das Cola Verkaufsverbot auf lettischen Schulhöfen daher gar nicht so witzig. In Atlanta hat man für diesen lettischen Sololauf „zero“ Verständnis. Bereits vor einem Monat bediente sich Coca Cola einer Madelaine Albright als Fürsprecherin im Agitationsfeld. Die frühere US-Außenministerin hat in einem Schreiben an die lettische Präsidentin Vaira Vike-Freiberga ihre Empörung über das Coca-Cola-Verbot in lettischen Schulen geäußert. Das Verbot müsse man als Diskriminierung des amerikanischen Softdrinkherstellers begreifen, so Albright in ihrem offenen Brief an Freiberga.

 

Das Verkaufsverbot gilt aber auch für Pepsi, Sinalco und selbst für das russische  Malzgebräu Kwass. Daher traf die amerikanische Kritik in Riga auf Unverständnis:  "Kinder wissen eben nicht immer selbst, was sie verzehren sollen und was nicht." wird die lettische Präsidentin Vaira Vike-Freiberga in der Frankfurter Rundschau zitiert. Nun gibt es in der lettischen Penne nur noch Mineralwasser und Obstsäfte, Milch und Kakao. Ein Vorbild für deutsche Schulen?

 

Deutschland hat kaum Kantinen

Eines der erklärten Ziele in der der Ernährungspolitik der Bundesregierung ist die Bekämpfung von Übergewicht und Mangelernährung. Das BMELV (Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz) fördere und unterstützte mit seiner Ernährungspolitik eine genussvolle, ausgewogene und nachhaltige Ernährung in Deutschland. So jedenfalls ist es in einer Erklärung des Bundesministeriums zu lesen. Schade nur, dass diese Bundesbehörde im Bereich der Schulen überhaupt keine Kompetenz besitzt. Schulen sind eben Ländersache. Die Ausstattung der eigenen Kioske liegt gar in der Verantwortung des Schulträgers.

Mit dem Projekt „Schule + Essen = Note 1“ versucht das BMELV in Zusammenarbeit mit der der Deutschen Gesellschaft für Ernährung e.V. (DGE) einen Beitrag für den Aufbau bzw. die Optimierung einer ernährungs- physiologisch ausgewogenen Schulverpflegung zu sorgen. Ein pauschales Cola und Pommesverbot ist  an deutschen Schulen undenkbar. Dies hat auch mit dem Umstand zu tun, dass es in Deutschland weit weniger Ganztagsschulen gibt und die Schüler auf das Angebot der Kioske vertrauen müssen. Jedenfalls dann, wenn die gute alte „Stulle“ mal wieder auf dem Frühstückstisch liegen blieb. Insofern macht die Kampagne „Schule + Essen =Note 1“ auch Sinn, denn neben den Eltern und Lehrern, richtet sich diese Kampagne vor allem an die Schulträger. Schließlich soll es an dem einen oder anderen Schulkiosk zwischen Garmisch und Rostock noch immer recht deftig zugehen.

Beispiel Irland

Es geht aber noch schlimmer, wie das Beispiel Irland zeigt. Hier dominieren Pommes und Pudding das Kantinenbild. Dies führte Ende letzten Jahres zu einer offiziellen Rüge der irischen Hausärzte in Richtung  Dublin. Konkreter Anlass für die Kritik der Mediziner war eine Untersuchung der Kantinen in den irischen Schulen. Demnach sind die irischen Schulmahlzeiten unausgewogen und ihr  Fett- und Zuckergehalt viel zu hoch. Zudem werde frisches Obst und Gemüse viel zu selten angeboten. Die irische Gesundheitsministerin Mary Harney wurde aufgefordert, Schulen zu zwingen, gesündere Optionen auf den Speiseplan zu setzen. Andernfalls werde die Zahl der bereits im Kindesalter übergewichtigen Patienten weiter steigen. Vielleicht wird ja das lettische Cola und Pommes Verbot auch in Irland Schule machen.

 

-JvR-




 
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