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4. Mai in Lettland: Feiern und deutliche Worte zum Nationalfeiertag
05.05.2010


Blumenmeer am Freiheitsdenkmal in RigaTrotz des trüben Himmels ließen sich Lettinnen und Letten ihren 4. Mai nicht vermiesen: Im ganzen Land feierten sie diesen Tag mit Konzerten, Gottesdiensten und Ansprachen. In Riga trafen sich die Saeima-Abgeordneten zur Festsitzung in der Oper, Bürger legten am Freiheitsdenkmal Blumen nieder und noch bis in die Nacht sangen sie am Ufer der Daugava traditionelle Lieder. Ende der 80er Jahre hatten Volksfront-Abgeordnete die Mehrheit im Obersten Rat der Sozialistischen Sowjetrepublik Lettland errungen. Die Parlamentarier beschlossen am 4.5.1990, die nationale Unabhängigkeit wieder herzustellen. Dies war ein mutiger Schritt und ein bewegender Augenblick, der für alle Zeitzeugen unvergesslich bleiben wird. Nach dieser Abstimmung folgten ungewisse Zeiten. Im Januar 91 versuchten Sowjets, den alten Zustand in Riga gewaltsam wiederherzustellen. Die Spezialeinheit OMON besetzte das Zentrum der lettischen Hauptstadt. Ihre Schüsse brachten fünf Menschen den Tod. Doch die Letten schützten ihr Parlament mit Barrikaden und Liedern. Sie siegten schließlich als `singende Revolutionäre`. Der 4. Mai ist neben dem 18. November der wichtigste Nationalfeiertag des Landes. Doch im Gegensatz zu 1918 betrachten Letten 1990 nicht als ein Jahr der Staatsgründung: Nur ein völkerrechtswidriger Zustand, nämlich die Okkupation ihres Landes durch die UdSSR, wurde nach einem halben Jahrhundert beendet. Regierungschef Valdis Dombrovskis hielt passend zur eisheiligen Kälte keine Schönwetterrede, sondern fand für die politische und wirtschaftliche Lage deutliche Worte. Dabei begann er schon mal mit dem Wahlkampf.

 

"Für Vaterland und Freiheit" lautet die Inschrift auf dem Nationaldenkmal, Foto: UB

 

Im Grußwort an seine Bürger erwähnte Dombrovskis, dass in den "fetten Jahren" der Einkommenszuwachs in manchen Branchen nicht der Produktivität entsprach und dass man nun die Folgen des Kreditbooms überwinden müsse, die insbesondere die vielen Hausbesitzer spüren, die die Zinsen nicht mehr zahlen können. Nach 20 Jahren stehe Lettland im Hinblick auf die Parlamentswahlen im Oktober abermals vor einem Scheideweg: Der Jaunais Laiks (Neue Zeit)-Politiker fragte, ob sich der Wähler auf mit glänzender Verpackung verkaufte Werbekampagnen verlassen wolle. Oder ob er die Aussichten der Parteien von ihrer tatsächlich geleisteten Arbeit abhängig mache, davon, ob Worte und Taten wirklich übereinstimmten. “Oder ob die Mehrheit der lettischen Bürger den messianischen Staatsführern den Vorzug geben werden, welche den Wunsch hegen, auf die politische Bühne zurückzukehren, wobei der Staat von seiner jüngsten Vergangenheit eingeholt werden wird, als man ihn wie ein Privatunternehmen führen wollte?”

 

Rigas Nationaloper in der Nähe des Stadtkanals

In der Oper trafen sich die lettischen Parlamentarier zur feierlichen Sitzung, Foto: UB

 

Lettland habe die Wahl, den Weg zu einem demokratischen und europäischen Staat einzuschlagen, der den Belangen seiner Bürger dient oder zu einem Machtmodell, das staatliche Interessen einzelnen Individuen und ihren Angehörigen unterordne. “Die politische Elite demonstriert gerade ziemlich glänzend ein für die Zukunft Lettlands gefährliches Entwicklungsmodell, wenn die Oligarchen bereit sind, sich in allen erdenklichen Fragen mit dem Ziel zu einigen, die eigenen Positionen zu wahren und zu stärken, jeden isolierend, der im Weg steht oder die `Polit-Business`-Pläne stört.”

Deutsche Botschaft in Riga

Am deutschen Botschaftsgebäude wehte die lettische Flagge zwischen der deutschen und europäischen. Foto: UB

 

Mit diesen Worten betrieb der Premier gewiss schon ein wenig Wahlkampf. Doch viele Zuhörer werden ihm vermutlich zugestimmt haben. Der studierte Physiker ist – trotz der verfassungswidrigen Rentenkürzungen des letzten Jahres - in seinem Land nicht der unbeliebteste Politiker. Er übernahm das Amt zu der Zeit, als die Regierung die drastischen Sparforderungen des IWF umsetzen musste. Der interessierte Bürger dürfte sich an so manche Untat der politischen Elite erinnert fühlen. Es führt zu weit, die Liste der Fehlentscheidungen, der Korruption und der Vernachlässigung sozialer Probleme hier aufzuführen.

Die Lettische Universität in Riga

An Gedenk- und Feiertagen besteht für alle öffentlichen und privaten Gebäude Beflaggungspflicht. Foto: UB

 

Nach dieser Schelte fragte sich Dombrovskis, wieviele von den hoch angesehenen Parlamentariern, die damals für die Unabhängigkeit votierten, heute überhaupt noch in der aktiven Politik seien. “Haben jene von Begeisterung überwältigten Menschen, die damals zu Tausenden in der Altstadt Rigas zusammenkamen, ein solches Entwicklungsmodell begrüßt?”

 

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