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Lettische Innenministerin Marija Golubeva tritt zurück
16.05.2022


Premier Karins fordert von der Nationalen Allianz ebenfalls einen Ministerrücktritt

Marija Golubeva in der Saeima, Foto: CC BY-SA 2.0Link


Golubeva, die der liberalen Regierungsfraktion Attistibai/Par! (AP) angehört, informierte am 16. Mai 2022 die Medien, dass sie zurücktreten werde (lsm.lv). Das hatte der Koalitionspartner Nationale Allianz (NA) verlangt, der gedroht hatte, andernfalls die eigenen Minister zurückzuziehen (LP: hier). Golubeva sah sich vom Ministerpräsidenten Krisjanis Karins (Jauna Vienotiba, JV) nicht unterstützt und wollte den Fortbestand der Koalition nicht gefährden. Die NA betrachtete es als Skandal, dass trotz des Feierverbots am Siegesdenkmal einige hundert Russischsprachige sich am 9. und 10. Mai 2022 einfanden, Blumen niederlegten, die Rote Armee und Russland rühmten. Die NA wertet das als Zustimmung zum russischen Angriff auf die Ukraine und macht dafür die Innenministerin verantwortlich.  


Golubeva hatte Karins aufgefordert, den Bericht ihres Ministeriums über die Ereignisse am sowjetischen Denkmal abzuwarten. Doch der Premier gab zuvor dem Druck der NA nach. “Was für Signale senden wir unseren Verbündeten und Feinden über die Stabilität des lettischen Staats, wenn 300 Angehörige einer Randgruppe, die sich für zwei Stunden an einem Denkmal der Okkupation aufhalten, fähig sind, die lettische Regierung zu erschüttern? Aber nun, das liegt in der Verantwortung des Premiers,” kommentierte Golubeva ihren erzwungenen Rücktritt. Sie wies darauf hin, dass sich 90 Prozent weniger Demonstranten eingefunden hätten als in der Vor-Corona-Zeit. Golubeva wird nun wieder auf ihren Abgeordnetensitz in der Saeima zurückkehren. Sie war erst im Juni 2021 Innenministerin geworden, nachdem die zerstrittene fünfte Fraktion, die rechtspopulistische Kam pieder valsts? (KPF) von der Regierung ausgeschlossen worden war.  


Golubeva war in nationalkonservativen Kreisen von Anfang an verfemt. Als Migrationsforscherin und mit ihrem Einsatz für die Rechte sexueller Minderheiten zog sie den Argwohn auf sich. Die Journalistin Elita Veidemane verhöhnte sie damals in einem Kommentar, fragte, ob sie nicht besser Ministerin für den Juni-Pride der LGBT-Bewegung geworden wäre und ob sie als Innenministerin lediglich Polizeiwagen in Regenbogenfarben umfärben werde (LP: hier). In der Regierungskoalition konnte Golubeva liberale Prinzipien kaum durchsetzen. So ließ sie ein Gesetz zum Ausnahmezustand an der Grenze zu Belarus passieren, dass gewaltsame Zurückdrängung von Flüchtlingen gestattet und Asylbewerbern verwehrt, bei lettischen Behörden einen Asylantrag zu stellen (LP: hier).


Ministerpräsident Krisjanis Karins räumte ein, dass das Vorgehen der NA einen erpresserischen Beigeschmack habe. Er verlangt von den Nationalkonservativen, dass sie nun ebenfalls einen ihrer drei Minister zum Rücktritt vorschlagen. Dafür stellte er dem Koalitionspartner eine Frist bis zum Mittwoch. Falls die NA nicht entscheidet, will Karins den NA-Wirtschaftsminister Janis Vitenbergs entlassen. Die Begründung könnte von einem Personalchef aus der gewerblichen Wirtschaft stammen: Vitenbergs kam als letzter ins Amt, hat also weniger Amtszeit aufzuweisen als seine beiden NA-Ministerkollegen. Vitenbergs erklärte der Presse, dass er nicht beabsichtigt, seinen Posten zu räumen: “Diese Lage werte ich als politische Abrechnung. Als Minister und als Einwohner des Landes unterstütze ich die Position der Nationalen Allianz, dass das, was am 10. Mai am Denkmal der Okkupation sich abspielte, wo Letten als Faschisten bezeichnet und unsere Landsleute beschimpft wurden, die mit der ukrainischen Flagge anwesend waren, für uns nicht hinnehmbar ist.” (lsm.lv).


Udo Bongartz

 

 

 




 
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