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Die VEF-Hammond-Orgel in Liepajas evangelisch-lutherischer Kirche soll restauriert werden
08.12.2021


Vom Pfeifenorgel-Imitat zum Instrument der Pop-Musik

Das Innenleben einer Hammond-Orgel, Foto: Henry Zbyszynski - Flickr: Color coded wires CC BY 2.0, Link

Sie war Teil der beliebten Ausstellung der “Fünfjährigen Errungenschaften des erneuerten Lettlands”, die vom 16. Juni bis 9. Juli 1939 in Riga stattfand; mit dem “erneuerten Lettland” war die Ulmanis-Diktatur gemeint. Die Staatliche Elektrotechnische Fabrik (VEF) hatte 1937 die Nachbau-Lizenz der elektromechanischen Orgel erworben, die Laurens Hammond, ein US-amerikanischer Uhrenhersteller in seiner wirtschaftlichen Not erfunden hatte. VEF-Konstrukteur Adolfs Birzite entwarf ein neues Design und die lettische Produktion begann noch im selben Jahr. Karlis Ulmanis hatte die neue Technik sogleich überzeugt. Der Klang von teueren Kirchenorgeln ließ sich nun kostengünstiger nachahmen. Der Staatschef überreichte der evangelisch-lutherischen Gemeinde Liepajas 10.000 Lats, damit sie sich ein solches VEF-Instrument anschaffen konnte. Bis 2006 war sie in der westlettischen Hafenstadt zu hören; seitdem steht sie nur noch als ein funktionsloses Erinnerungsstück herum. In der letzten Woche veranstaltete die Kirchengemeinde ein Benefizkonzert. Sie benötigt etwa 5000 Euro für eine Restauration, damit die Gläubigen wieder den elektromechanisch erzeugten Klängen lauschen können (lsm.lv).


Im Rigaer Museum für Literatur und Musik wird das dort zu sehende Ausstellungsstück beschrieben: “Elektroorgel `Hammond`, hergestellt in der Rigaer Fabrik VEF 1937. Das Gerät ist aus Holz gefertigt, lackiert, braun mit vier Füßen. Zwei Manualtastaturen im Umfang CCC-c4 (72 Tasten), einer Pedalreihe CC-c1. Die Materialien: Metall, Holz, Kunststoff. Maße: 97,0 x 123,0 x 104,0.” Zum Zustand wird festgestellt: “Das Instrument ist nicht gebrauchsfähig, denn es bestehen Probleme mit dem elektrischen System.” (jazzin.lv) In Lettland sind noch drei dieser Orgeln zu finden: Eine steht im Museum, eine zweite gehört reichlich ramponiert zum Inventar des Dailes-Theaters und die dritte eben in Liepaja. Alle drei Elektroorgeln sind verstummt. Vor dem Krieg nutzten zirka ein Dutzend lettische Kirchengemeinden Hammonds kostengünstigere Alternative. Die übrigen Exemplare wurden im Zweiten Weltkrieg zerstört.


Antra Drege, die die Geschichte der lettischen Hammond recherchierte, ist davon überzeugt, dass sich die VEF-Orgel von Liepaja restaurieren lässt. Mit Hilfe von Spezialisten müsse man einige Details erneuern. Organist Atis Andersons soll diese Aufgabe zusammen mit niederländischen Fachleuten übernehmen. Andersons gab dafür mit seiner Kollegin Kristine Adamite und dem Vokalensemble “Putni” das Benefizkonzert.


In wie weit sich eine Hammond-Orgel tatsächlich als Ersatz für eine traditionelle Pfeifenorgel eignet, dürfte bei Kirchenmusikern eine umstrittene Frage bleiben. Doch es erwies sich mit der Zeit, dass sich elektrisch auch ganz andere Töne erzeugen ließen. Komponist Margeris Zarins, ehemaliger Musikleiter des Dailes-Theater, rühmte die dortige Hammond-Orgel, auf der er sowohl ein Xylophon als auch Glockenspiele und Saxophone imitieren konnte. Das Instrument entwickelte sich neben dem Trautonium und dem Ondes Martenot zu einem Vorläufer elektronischer Musikgeräte. Deren Nutzer begnügten sich nicht mehr damit, Klänge traditioneller Instrumente nachzuahmen. Statt dessen vermochten nun Rock- und Popmusiker neuartige Sounds zu erzeugen, ohne die Musikgenres wie Elektropop oder Techno nicht entstanden wären (bonedo.de).


UB 




 
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