Lettisches Centrum Münster e.V.

   
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Belarus darf nicht Mitveranstalter der nächsten Eishockey-WM werden
20.01.2021


“dem belarussischen Volk ein großes Sportfest gestohlen”

2014 hat Belarus die Eishockey-WM schon einmal veranstaltet, Foto: CC BY-SA 3.0, Link

Am 18. Januar 2021 hat die Internationale Eishockey-Föderation (IIHF) mit Sitz in Zürich beschlossen, Belarus die Austragungsrechte für die kommende Weltmeisterschaft zu entziehen, die vom 21. Mai bis 6. Juni dieses Jahres in Minsk und Riga stattfinden sollte. Der Verband begründet seine Entscheidung mit Sicherheitsbedenken. Die lettische Eishockey-Föderation (LHF) hat die Absage an die Sportfunktionäre des Lukaschenko-Regimes mit vorangetrieben und hofft nun darauf, dass die WM nur in Riga veranstaltet wird.


Die IIHF begründete ihre Entscheidung mit wachsenden Sicherheitsbedenken, die sowohl bezüglich der politischen Unruhen als auch wegen der Pandemiekrise bestehen (iihf.com). Der IIHF-Rat habe festgestellt, dass das Wohlergehen der Teams, der Fans und offizieller Vertreter derzeit nicht gewährleistet werden könne. Rene Fasel, der Präsident der Föderation, bedauerte, dass der Plan, die WM in zwei Ländern auszurichten, nun aufgegeben werden müsse. Er bemühte das Stereotyp des Sports als Mittel der Völkerverständigung: Seine Organisation habe versucht, die WM als Möglichkeit zur Versöhnung zu nutzen, um dabei zu helfen, die gesellschaftspolitischen Probleme Belarus` zu befrieden und einen positiven Weg nach vorn zu finden.  


Beim Bemühen um Völkerverständigung Anfang Januar war Fasel nach Minsk gereist und hatte Alexander Lukaschenko herzlich umarmt. “Es ist etwas blöd gelaufen, das ist mir auch peinlich,” verlautbarte er anschließend im Schweizer Fernsehen. Er habe seine “guten Beziehungen zu Lukaschenko” nutzen wollen, “um etwas gutes zu tun” (suedostschweiz.ch). Zudem hatte er behauptet, mit der belarussischen Opposition gesprochen zu haben, was diese bestreitet. Bis vor einigen Tagen hatte der Sportfunktionär offenbar gehofft, dass die WM doch noch in Minsk stattfinden könne und behauptet, dass auch belarussische Oppositionelle das befürworteten (faz.net).


Der Schweizer IIHF-Chef lässt sich von der staatlichen belarussischen Nachrichtenagentur BelTA schon mehr wendig als diplomatisch zitieren: „Ich kann zu 100% sagen, dass es einen enormen politischen Druck von den IIHF-Mitgliedsverbänden gab. Aufgrund der aktuellen Situation in Belarus war uns klar, dass die Opposition die Weltmeisterschaft in Minsk für ihre politischen Zwecke nutzen und Demonstrationen abhalten wird. Natürlich kann in einer solchen Situation die Reaktion der Regierung folgen. Und während der Weltmeisterschaft soll die Sicherheit gewährleistet werden,“ und: „Wir hatten keine andere Wahl als das zu tun, was bereits getan wurde. Sponsoren, politische Themen, Sie wissen schon, was passierte. Der 18. Januar ist ein sehr trauriger Tag für das gesamte Eishockey.“ (deu.belta.by)


Die IIHF sitzt in der Klemme und fürchtet finanzielle Folgen. LHF-Vorsitzender Aigars Kalvitis (einst lettischer Ministerpräsident) wies auf mögliche belarussische Regressforderungen bei Vertragsauflösung hin (lsm.lv). Andererseits hatten die IIHF-Sponsoren, ein tschechischer Autohersteller und ein deutscher Kosmetikproduzent, ihren Rückzug erklärt, falls Fasels Föderation am Spielort Minsk festhalte.


Der LHF wirft seinerseits einem belarussischen Sportfunktionär vor, gegen den Verhaltenskodex der IIHF verstoßen zu haben (lsm.lv). Das mittlerweile gesperrte Nachrichtenportal tribuna.by berichtete über Hinweise, dass Dmitry Baskov, Vorsitzender des belarussischen Eishockeyverbandes, zu einer maskierten Schlägergruppe gehört habe, die Mitte November den Oppositionellen Roman Bondarenko tödlich verletzte. Die lettische Regierung setzte Baskov auf die schwarze Liste jener Personen, die nicht einreisen dürfen. Die Vertreter der LHF forderten von ihren russischen Kollegen eine Erklärung. Baskov habe gegen den Verhaltenskodex der IIHF verstoßen, der alle Handlungen maßregele, die die Reputation des Eishockeys schädigten, insbesondere Handlungen, die widerrechtlich, amoralisch und unethisch seien.  


Die Absage vom 18. Januar nutzte Baskov, um oppositionelle Sportler in seinem Land zu beschuldigen, sie hätten “dem belarussischen Volk ein großes Sportfest gestohlen [...]. Sie dürfen sich nicht mehr Belarussen nennen. Sie sind Verräter!“ (deu.belta.by) Sie hätten nicht nur ”tausenden Kindern” einen Traum gestohlen, sondern auch die Möglichkeit, Belarus der Weltöffentlichkeit auf sportjournalistische Art vorzustellen: Tausende Fans und hunderte Sportjournalisten seien angereist, ihnen hätten “wir” uns “als ein malerisches Land, eine gastfreundliche Sportnation und eine Insel der Sicherheit präsentieren [können]. Wir bedauern es, dass der Eishockey-Weltverband und die größten Sponsoren zum Opfer politischer Spiele rund um Belarus geworden sind.”


Es gilt nun als wahrscheinlich, dass Lettland die kommende WM alleine veranstalten wird. Zwar sind auch Dänemark und die Slowakei im Gespräch, doch Verbandschef Kalvitis zeigt sich zuversichtlich, dass Riga der alleinige WM-Ort wird (lsm.lv). Die LHF verhandele schon mit den Zürichern, auch Ministerpräsident Krisjanis Karins signalisiert Zustimmung. Kalvitis geht davon aus, dass die Corona-Krise am Ende des Frühjahrs noch nicht überstanden sein wird. Wenn die WM nur in einer Stadt stattfindet, vermindern sich die Anfahrtswege. Wegen der voraussichtlich pandemiebedingt beschränkten Zuschauerzahl reiche das Sitzplatzangebot in den zwei örtlichen Spielarenen aus. Die IIHF wird sich in den nächsten Tagen entscheiden.

UB

 


 
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