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Lettland: Die Krim-Krise wird zum innenpolitischen Thema
06.03.2014


Demonstrant in KZ-Häftlingskleidung, trägt Stange mit Schweinekopf"Soviel Faschismus war selten", kommentierte jüngst ein WDR-Journalist ironisch die Ost-West-Propaganda-Schlacht zur Krim-Krise. Diese spiegelt sich auch in der lettischen Öffentlichkeit wider. Westlich orientierte lettische Kommentatoren fordern einen harten Kurs gegen Russland. Vertreter der russischstämmigen Minderheit warnen dagegen vor einer einseitigen Verurteilung Putins. Deren Partei, das Saska?as Centrs (SC), wollte sich einer Russland abmahnenden Erklärung der Regierung nicht anschließen. Der Saeima-Beschluss kritisiert das russische Vorgehen scharf. In mancher Hinsicht ist die historische und ethnische Situation Lettlands mit der Ukraine vergleichbar. Daher warnen Polizei- und Regierungsvertreter vor den Gedenktagen 16. März (Tag der SS-Legionäre) und 9. Mai (Antifaschistische Siegesfeier), die zu heftigeren Auseinandersetzungen führen könnten als in den Vorjahren. Das lettische Kabinett hat die Öffnung des Strommarktes auf das nächste Jahr verschoben. Zunächst soll die Frage der Sozialtarife geklärt werden. Auch diese Entscheidung steht im Zusammenhang mit befürchteten Unruhen.

Antifaschistischer Demonstrant am 16. März, Foto: LP

 

Von Aggression und Korruption

Mit 65 gegen 28 Stimmen verurteilten die Parlamentarier am 6.3.2014 "Russlands militärische Aggression in der Ukraine". Lettland werde unverändert die Souveränität und territoriale Einheit der Ukraine sowie den Obersten Rat des Landes unterstützen. Die lettische Saeima erinnert daran, dass Russland internationale Rechtsnormen verletze und vertragliche Verpflichtungen missachte. "Diese Handlungsweise ist als widerrechtlich zu werten, als bewusste und geplante Einmischung in die ukrainische Souveränität, deren Ziel darin besteht, einen militärischen Konflikt in der Absicht auszulösen, einen Teil oder sogar das gesamte Territorium der Ukraine zu okkupieren." SC-Politiker, denen von lettischer Seite die Zusammenarbeit mit der Putin-Partei "Vereintes Russland" vorgeworfen wird, wollen einer solch entschiedenen Verurteilung nicht zustimmen. Der SC-Abgeordnete Ivans Klementjevs erklärte gegenüber der Zeitschrift "Ir" am 5.3.2014, dass er nicht imstande sei, über eine Intervention zu sprechen. Derzeit herrsche Chaos in der Ukraine, bewaffnete Leute könnten die Macht an sich reißen und sagen: "Hier befehle ich." Die Übergabe der Waffen an die Armee, wie es der Vertrag vom 21.2.2014 zwischen Janukowitsch und der Opposition vorsehe, sei nicht erfüllt worden. Klementjevs betrachtet die neue ukrainische Regierung als verfassungswidrig, sie habe mit Waffengewalt die Macht übernommen, nach wie vor sei Janukowitsch der legitime Präsident. Die neuen Herrscher wie Jazenjuk oder Klitschko seien nicht weniger korrupt als die alten. "Entschuldigung, wo verdiente Timoschenko ihre Milliarden? Wenn wir nun darüber reden, dass der Ukraine 35 Milliarden fehlen, dann nehmt sie sowohl von Janukowitsch als auch von Timoschenko und im Land wird alles in Ordnung sein", sagte Klementjevs den Ir-Redakteuren.

Spalier lettischer Polizei in der Rigaer Innenstadt

Alljährlich am 16. März trennt ein großes Polizeiaufgebot SS-Legionäre und antifaschistische Gegendemonstranten, Foto: LP

 

Russische Antifaschisten contra lettische Antibolschewisten

Vor einigen Tagen drohte der Rentnerverband mit Protesten und warnte vor einem "lettischen Maidan". Ein Anlass für diesen Unmut war die Absicht der Regierung, ab dem kommenden April den Strommarkt für konkurrierende Versorger zu öffnen. Der Staatskonzern Latvenergo kündigte an, dann ermäßigte Tarife für sozial Benachteiligte abzuschaffen. Die Regierung hat nun diesen Liberalisierungsbeschluss auf das nächste Jahr verschoben. Ministerpräsidentin Laimdota Straujuma wies am 3.3.2014 auf Pläne des Sozialministeriums, die bereits Ausgleichszahlungen für sozial Benachteiligte vorsahen, doch nun müsse man überlegen, wie bislang unberücksichtigte Gruppen wie die Rentner einbezogen werden könnten. Die Saeima-Vorsitzende und Vienot?ba-Politikerin Solvita ?bolti?a stellte am Morgen dieser Kabinettssitzung einen Zusammenhang mit der angespannten internationalen Situation her: Angesichts der Ereignisse in der Ukraine müsse man alles tun, damit die innenpolitische Lage stabil bleibe und jegliche Provokation vermieden werde. Sorgen bereiten der politischen Führung auch die beiden umstrittenen Gedenktage: Der 16. März, an dem lettische SS-Legionäre ihrer gewonnenen Schlacht gegen die Rote Armee gedenken sowie der 9. Mai, an dem die russischstämmige Minderheit den Sieg der Roten Armee über Nazi-Deutschland feiert. Der Chef der Sicherheitspolizei, J?nis Reiniks, warnte in einem Interview mit der Nachrichtenagentur LETA vom 5.3.2014, dass in diesem Jahr ein erhöhtes Sicherheitsrisiko bestehe. Radikal gesinnte Personen aus dem Ausland könnten am 16. März in Riga für Unruhe sorgen. Für diesen Tag seien zwei antifaschistische Protestveranstaltungen gegen die Legionäre geplant. Doch solche Warnungen sind schwer einzuschätzen, schon häufig erwiesen sie sich als Fehlalarm. Die lettische Mehrheitsbevölkerung sympathisiert eher mit den (antibolschewistischen) Legionären und erachtet (prorussische) Antifaschisten als potenzielle Krawallmacher. Auch daran lässt sich die ethnische Spaltung der Bevölkerung ablesen.

 

Weiterer LP-Artikel zum Thema:

Lettland: Rentner kündigen Proteste an und warnen vor einem "lettischen Maidan"

16. März: Lettlands spalterischer Gedenktag

8. Mai und 9. Mai - Unterschiedliches Gedenken an das Kriegsende spaltet Lettland und Europa

 

Externe Linkhinweise:

lsm.lv: Saeima nosoda Krievijas agresiju Ukrain?

saeima.lv: Saeima stingri nosoda Krievijas milit?ro agresiju Ukrain?

tvnet.lv: 16.marta pas?kumos sal?dzinoši augsti droš?bas riski

ir.lv: Vardu kaujas




 
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