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Lettische Umweltschützer bezweifeln den “Grünen Kurs” ihrer Regierung
29.12.2021


Landwirtschaftsministerium weiter auf dem Pfad der Agrarindustrie

Wiesenbiotope sind nicht rentabel, Foto: Guido Gerding, Natura - Freies Portal für Umweltbildung CC BY-SA 3.0, Link

Die Webseite des lettischen Landwirtschaftsministers bekennt sich zum Umweltschutz (zm.gov.lv). Der Strategieplan der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) der EU sehe beträchtliche finanzielle Mittel vor, um den Klimawandel abzuschwächen, die biologische Artenvielfalt zu bewahren, die Forstwirtschaft nachhaltig und die Landwirtschaft biologisch zu betreiben. Diese Ziele entsprechen dem “Green Deal” der EU-Kommission, der in Lettland als “Zalais kurss” (Grüner Kurs) bekannt ist, an dem sich das Ministerium nach eigener Darstellung orientiert. Doch den Umweltschützern reicht das nicht. Sie werfen den politisch Verantwortlichen vor, sich zu wenig um Klimaschutz und Artenvielfalt zu kümmern, stattdessen werde die Industrialisierung der Landwirtschaft vorangetrieben.


Der Mensch verursache das größte Artensterben seit der Saurierzeit (wwf.de). Mehr als 140.000 Tier- und Pflanzenarten befinden sich auf Roten Listen, so meldete jüngst der WWF. Vertraute Lebewesen wie Laubfrosch und Kranich könnten vom Planeten verschwinden, weil die menschliche Art zu wirtschaften deren Lebensräume zerstört. Andererseits befördert die häufig quälerische Massentierhaltung den Treibhauseffekt.


Die EU-Kommission will dem (selbst)zerstörerischen Trend des Menschen entgegenwirken. Ihre reformierte Agrarpolitik beinhaltet Kriterien, wirtschaftliche, soziale und ökologische, zu denen sich die lettische Regierung bekennt. Im Planungszeitraum von 2021 bis 2027 sind für lettische Bauern Direktzahlungen von 2,475 Milliarden Euro vorgesehen. Hinzu kommen weitere Millionen aus dem Brüsseler Agrarfonds, die für die landwirtschaftliche Entwicklung bereitgestellt werden. Landwirtschaftsminister Kaspars Gerhards (NA) hatte im November einen Plan vorgelegt, wie er diese Ziele umzusetzen gedenkt. Ökologisches ist enthalten, auch das Bestreben ist erkennbar, sozial und wirtschaftlich den Anschluss an die wohlhabenden Nationalstaaten des Westens zu finden. Eine florierende, nachhaltige und moderne Landwirtschaft soll den Bewohnern auf dem Lande ein gutes Auskommen sichern und sie davon abhalten, in die Städte oder ins Ausland zu ziehen.


Als erstes Ziel führt das Ministerium an, die Wertschöpfung zu erhöhen und wettbewerbsfähige Produkte für heimische und internationale Märkte herzustellen. Wer Lebensmittel exportieren will, muss produktiver und billiger sein als die Konkurrenz; das ist nur mit großen Flächen erreichbar, die mit großen Maschinen und viel Chemie bearbeitet werden. Das klingt nach herkömmlichen ökonomischen Vorstellungen, die im Widerspruch zu den übrigen Zielen der neuen GAP stehen. Kritiker stören sich ohnehin an den Ungereimtheiten der EU-Agrarpolitik: Nur 20 Prozent der Direktzahlungen müssen in die ökologische Landwirtschaft investiert werden, für den Rest zählt der Silvesterspruch des deutschen TV-Programms: “The same procedure as every year.” 80 Prozent können also weiterhin in die industrialisierte Agrarökonomie fließen.


Der Lettische Naturfonds (LDF) hat den Plan des Landwirtschaftsministers ausgewertet und bezweifelt dessen ökologische Ausrichtung; sowohl in Bezug auf Artenvielfalt als auch im Hinblick auf den Klimaschutz verfehlten die Vorhaben die EU-Ziele (ldf.lv). Die Industrialisierung der Agrarwirtschaft werde weiterhin gefördert; es seien keine Maßnahmen vorgesehen, den Einsatz von Pestiziden und klimaschädlichen Stoffen zu verringern. Der lettische Plan erreiche nicht einmal bis 2027 das Ziel, zwanzig Prozent der Ackerflächen biologisch zu bewirtschaften, derzeit seien nur 18,78 Prozent vorgesehen. Zudem weise das Waldschutzprogramm “Natura 2000” Finanzierungslücken auf, so dass Waldbesitzer nicht mit hinreichenden Kompensationszahlungen für geleisteten Umweltschutz rechnen können. Auch die Unterstützungszahlungen für Wiesenbiotope seien unzulänglich, für deren Besitzer bleibe es rentabler, sie umzupflügen.  


Die Pressemitteilung des LDF zitiert dazu die lettische Leiterin des GrassLIFE-Projekts, Inga Racinska: In den letzten Jahren habe Lettland mehr als 4000 Hektar natürlicher Wiesen-Biotope verloren, der größte Teil sei umgepflügt worden. Die erhaltenen Flächen befänden sich in einem kritischen Zustand und sie seien nur mangelhaft geschützt. Daher hofft Racinska auf eine verbesserte Umsetzung des GAP-Strategieplans.  


Für den LDF-Vorsitzenden Andrejs Briedis zeichnet der Plan des Ministeriums das düstere Bild einer nicht nachhaltigen, industrialisierten, die Umwelt zerstörenden Landwirtschaft, die die alten Pfade nicht verlässt. Der kritischen Situation zum Trotz habe sich das Ministerium dazu entschlossen, dem Grünen Kurs nur formal zu entsprechen. “Der Zweck der Landwirtschaft ist längst nicht mehr nur die Herstellung von Lebensmitteln, sie spielt auch eine enorme Rolle in der Gestaltung der Umwelt des Menschen, zudem in der Sicherung der Artenvielfalt und anderer für alle Menschen existenzielle Leistungen des Ökosystems, doch ein solches Verständnis hat unser Landwirtschaftsministerium noch nicht erreicht.”

UB 




 
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